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Eröffnung Sustainability Days 2022

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher eröffnet Sustainability Days 2022.

Podiumsdiskussion: „Die Rolle der ländlichen Regionen für die nachhaltige Entwicklung“

EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung Johannes Hahn & Minister für Infrastruktur und nachhaltigen Verkehr Enrico Giovannini


Wie werden wir dem kommenden Winter entgegentreten? Steht die Europäische Union vor großen Herausforderungen, die sogar geplante Programme blockieren könnten?

Hahn. Nein, genau das Gegenteil muss geschehen. Der gerade zu Ende gegangene Sommer hat uns gezeigt, wie abhängig wir vom Klima und Ressourcen sind. Wir müssen auch eine strategische Unabhängigkeit im Bereich der Energie anstreben. Wir müssen uns bemühen, unsere Lieferanten zu diversifizieren. Wir haben erkannt, wie wichtig der Zusammenhalt Europas in Bezug auf die grüne Wende ist, die für uns alle Priorität hat.

Putin hat die Gasversorgung eingestellt. Die europäischen Politiker bemühen sich unabhängig voneinander um Alternativen. Gibt es hier überhaupt einen Zusammenhalt?

Hahn. Die Aufgabe eines verantwortungsbewussten Politikers besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen unmittelbarer Problemlösung und langfristiger Planung herzustellen. Wir befinden uns in einem Übergangsprozess, der sich nicht von heute auf morgen vollzieht, aber durch die Diversifizierung unserer Energielieferanten, sind wir weniger von den politischen Entscheidungen Einzelner abhängig.

Werden die geplanten Projekte trotz anstehenden Regierungswechsels weitergeführt? Müssen wir mit Unterbrechungen bei bereits laufenden Projekten rechnen? 

Giovannini. Wir wissen, dass der rechte Flügel eine weniger positive Einstellung zum Thema „Nachhaltigkeit“ hat. Beim Studium der Wahlprogramme habe ich jedoch festgestellt, dass der Willen besteht, die von uns angestrebte Vision weiterzuführen. Ich sehe zum Beispiel Differenzen in der Städteentwicklung und in der urbanen Mobilität. Ich hoffe jedoch, dass hier Kompromisse gefunden werden.

Wie sieht Brüssel die künftigen Veränderungen in der italienischen Regierung?

Hahn. Wir verfolgen die politischen Entwicklungen in Italien sehr genau. Italien ist ein fortschrittliches und ehrgeiziges Land, und egal, welche Regierung an der Macht ist, sie muss sich an die getroffenen Vereinbarungen halten, um sich auch weiterhin europäische Geldmittel für den grünen Übergang zu sichern.

Ist das ständige Wachstum der Wirtschaft ein Hindernis für die gesetzten Ziele? Wie können wir die wirtschaftliche Entwicklung mit ökologischen Absichten vereinbaren?

Hahn. Wir müssen zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum unterscheiden. Wir müssen uns auf Letzteres zubewegen. Wir sollten uns darum bemühen, dass unser Lebensstandard auch in Zukunft gesichert ist. In einigen Bereichen sollten wir unbedingt neue Leitlinien und Ziele festlegen.

Marco Frey

Präsident des UN Global Compact Network Italy, Dozent an der Sant'Anna School for Advanced and University Studies in Pisa und Mitglied des Beirats der Sustainability Days 2022

„Die Weichen stellen - Überblick über aktuelle EU-Initiativen und -Programme zur Nachhaltigkeit“

Der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ ist uns schon seit 1987 geläufig. Er definiert die Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne den kommenden Generationen die Möglichkeiten zu nehmen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das Konzept stützt sich auf drei Säulen: Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Diese Definition ist auch heute noch sehr aktuell, und die Herausforderung der Nachhaltigkeit besteht genau darin, dass es uns gelingt, diese drei Variablen in unsere Vision der Zukunft zu integrieren.

Wir müssen in der Lage sein, ein stabiles Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, ein ernsthaftes soziales Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu schaffen und von einem Ökosystem zu profitieren, das unsere Ressourcen vergrößern kann. Das ist das Kapital, das wir für künftige Generationen erhalten müssen. 

Gegenwärtig sind diese drei Faktoren in den verschiedenen Ländern der Welt sehr unterschiedlich ausgeprägt. Was uns betrifft, so müssen wir unbedingt unseren CO2-Fußabdruck verringern, und die einzige Möglichkeit, dies zu tun, besteht in der Veränderung unseres Wirtschaftsmodells. Wir brauchen politische Maßnahmen, die zu konkreten Aktionen führen. Einige Beispiele? Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft, effizientere Ressourcennutzung, Energiewende, Mobilität und Ernährung, nachhaltige Mobilität und Nullverschmutzung, Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels, Nutzung der neuen verfügbaren Technologien.

Robert Fry Engle

Robert Engle, Professor Emeritus für Finanzwirtschaft der New York University Stern School of Business (NYU Stern), erhielt 2003 den Nobelpreis für Wirtschaft für seine Forschungen zum Konzept der autoregressiven abhängigen Heteroskedastizität.

„Die Auswirkungen des Klimawandels auf ländliche Regionen und wie Schadensminderung und Anpassung finanziert werden können“

Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften, Universitätsprofessor und bekennender Südtirol-Liebhaber. Für den Amerikaner Robert Fry Engle ist klar, dass ländliche Räume sich den physischen Risiken des Klimawandels stellen müssen und es auch können. So haben laut ihm ländliche Gebiete wahrscheinlich mehr Möglichkeiten, um etwa auf alternative Energiequellen zurückzugreifen, wie die Nutzung von Sonnenenergie, Wind- oder Wasserkraft. 

Auch werden die voraussichtlichen Kosten für Abmilderungsmaßnahmen für ländliche Regionen geringer ausfallen. Er sieht großes Potential in der Synergie, indem sich ländliche Räume zusammenschließen, von gegenseitigen Erkenntnissen profitieren und somit auch einflussreicher zu werden. Jede Nation hat andere Wege den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzutreten. Wir erleben ein Externalitätsproblem: Es gibt einen Unterschied zwischen jenen, welche Emission verursachen, und jenen, die die Kosten dafür tragen. Engle unterstreicht, dass es darum gehen muss, die CO2 Emission zu bepreisen, oder diese irgendwie zu senken. Diverse Modelle wie das DICE Model, das Model IAM oder das Top Down Model versuchen die Kosten für Adaptionsmaßnahmen zu evaluieren. In den USA befasst man sich mit der Frage, was können Private tun, um eine Milderung des Klimawandels herbeizuführen. Investoren und Konsumenten können Druck auf ihre Regierung ausüben, indem sie ökologischere Produkte wählen oder ihren Arbeitgeber gemäß seiner nachhaltigen Haltung auswählen. Climate Hedge Portfolios bieten Investoren die Möglichkeit in Unternehmen zu investieren, die dem Klimawandel entgegentreten. Auf Vlab.stern.nyu.edu ist eine Auswahl von attraktiven Hedge Portfolios veröffentlicht. Man kann sich aber auch als Anleger selbst fragen, fördert die eigene Bank nachhaltige Projekte, vergibt sie grüne Kredite? Auch wenn die Zeit aktuell für Investitionen in klimafreundliche Unternehmen schwierig ist, müssen Maßnahmen zugunsten der Decarbonisierung gefördert werden. Hauptziele für regionale Wirtschafskreisläufe sollen sein: WählerInnen fordern von der Regierung konkrete Maßnahmen, die den CO2 Ausgleich vorantreiben und mögliche Abmilderungsmaßnahmen für den Klimawandel sein können.

Jane Goodall

Gründerin des Jane Goodall Instituts und UN Friedensbotschafterin ist weltweit für ihre Pionierarbeit bei der Erforschung der Welt der wilden Schimpansen bekannt. Bis heute bereist sie die Welt und wird nicht müde, auf die Bedrohungen durch die Umweltkrise hinzuweisen und zum Handeln für den Erhalt aller Lebewesen sowie des Planeten, den wir alle teilen, aufzurufen.

„Hoffnung durch Handeln“

Das Jane Goodall Institut wurde von Jane Goodall gegründet und ist mittlerweile in 28 Ländern Afrikas tätig.  Die Mission dieser globalen Gemeinschaft ist es, das Erbe der Forscherin und Umweltaktivistin weiterzuführen. Jane Goodall hat während ihrer Zeit im Urwald von Tansania erkannt, wie eng alles vernetzt ist. Das Schutzprogramm zielt auf den Erhalt der Lebensräume von Mensch und Tier. 

Es sensibilisiert mit einem ganzheitlichen Ansatz die Einheimischen vor Ort dazu, ihre Ökosysteme zu erhalten; Umwelt- und Tierschutz, die Förderung der Bildung von Mädchen sowie auch die Vergabe von Kleinstkrediten an lokale Unternehmer sind Teil davon. Jane Goodall geht es nicht nur um den Schutz der Tiere, sondern um die Sicherung unserer Zukunft. In vielen Fällen ist die Umweltverschmutzung eine Ursache von Unwissenheit, die aber globale Auswirkungen hat. Dass man angesichts dieser Krisen die Hoffnung verlieren kann, ist verständlich. Jane Goodall erinnert an die 80er Jahre – schon damals warfen die Studenten der Generation vor, ihre Zukunft zu zerstören. Noch ist es nicht zu spät. Aber wir müssen sofort was bewegen, um den Klimawandel auszugleichen – und jede/r kann den Unterschied bewirken, indem er sich täglich hinterfragt, was er konsumiert. Unsere Generation soll jungen Menschen, denen es ein Anliegen ist, die Welt zu verbessern, mehr Verantwortung übertragen. Jane Goodall macht Hoffnung: viele jungen Menschen sind bereits aktiv, schließen sich zusammen. Angesichts der Umweltprobleme erwachen die Menschen neu, unzählige Wissenschaftler arbeiten an alternativen Technologien. Wenn wir Millionen sind, dann schaffen wir die Veränderung. Hoffnung ist für Jane Goodall das Synonym für Handeln. Krempeln wir unsere Ärmel hoch! Kopf und Herz im Einklang, Mitgefühl und Liebe sollen unsere Handlungen bestimmen.

Die besten Momente vom Eröffnungstag

„Lasst uns nach dem Besseren suchen und die Sorge der Veränderung mit der Freude des Neuanfangs ersetzen.“

Gail Bradbrook

Aktivistin, Umweltschützerin, Mitbegründerin von Extinction Rebellion

„Ziviler Ungehorsam: Wie diese umstrittene Methode den Wandel unterstützt und welche Änderungen notwendig sind“

Gail Bradbrook ist davon überzeugt, dass ein ziviler, gewaltloser Ungehorsam den notwendigen Wandel vorantreiben kann. Die Bewegung "Extinction Rebellion" tut genau das. Diese wurde 2018 in Großbritannien ins Leben gerufen. Sie fordert, dass britische Politiker die Wahrheit über die ökologische Krise sagen, den Notstand ausrufen und dringende Maßnahmen zur Emissionsreduzierung einleiten. Diese Bewegung des zivilen Ungehorsams versteht sich als eine Form der Demokratie und ist, in Anlehnung an frühere Größen wie Gandhi oder Martin Luther King, heute in 75 Ländern mit über 1.000 Gruppen weltweit vertreten.

Manchmal führen Aktionen des zivilen Ungehorsams zu neuen Ideen und Lösungen. "Niemand wird die Menschen vor dem politischen System retten, in dem sie leben, wir müssen uns selbst retten", sagt die Aktivistin. Die Idee dieser Aktionen besteht darin, sich so weit wie möglich zu widersetzen und seine Wut auf die politischen Systeme auszudrücken. Aber eine der wichtigsten Grundlagen ist die Liebe. Viele Teilnehmer sehen den Akt des zivilen Ungehorsams als eine Art Gebet an das Leben an, als einen Moment, um darüber nachzudenken, warum wir hier sind und uns an unsere Liebe für den Planeten und die Menschheit zu erinnern.
In unserer Gesellschaft liegt der Schwerpunkt ständig auf dem BIP, aber die Umwelt muss Vorrang haben. Können wir in einer Gesellschaft, die ihre Entscheidungen auf das Wirtschaftswachstum stützt, wirklich einen nachhaltigen Wandel herbeiführen? Das Paradigma des "immer mehr" muss ein Ende haben. Das politische und wirtschaftliche System, das die Welt beherrscht, muss sich ändern. Wir müssen etwas zurücklassen, dass zum Schutz des Planeten dient.

Leonora Grcheva

Verantwortlich für Städte und Regionen bei Doughnut Economics Action Lab

„Wie bringt man unsere menschlichen Bedürfnisse und die planetaren Grenzen mit Hilfe der Doughnut-Ökonomie ins Gleichgewicht?“

Die Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind, sind Ursachen eines Systems, das wir geerbt haben und das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mehr gewachsen ist.

Bisher lag der Schwerpunkt auf dem BIP-Wachstum — die Doughnut-Ökonomie will die Idee des Fortschritts verändern, indem er die Menschen und die Erde miteinander in Einklang bringt. Das bedeutet, dass alle Ressourcen fair verteilt und mit unseren Bedürfnissen in Einklang gebracht werden müssen. Die Doughnut-Ökonomie veranschaulicht sehr deutlich, wo die planetaren Grenzen liegen und in welchem Bereich unsere Zukunft gesichert ist. Die Herausforderung? Wie müssen von Degenerativ zu Regenerativ wechseln, auf Wiederverwertung und Vermeidung setzen, zirkuläre statt lineare Kreisläufe. Ziel der Action Lab von Leonora Grcheva ist es, in einem wachsenden Netzwerk von Initiatoren und Stakeholdern, konkrete Wege und Handlungen zu definieren, die schon den kleinsten Lebensraum verändern könnten. So stellen sie sich zum Beispiel die Frage: Was kann eine Stadt oder ein Ort tun, um die Gesundheit des Planeten zu schützen? Eine weitere Absicht der Action Lab ist es, Daten zu sammeln, die unser Verhalten abzeichnen, unsere Handlungen und ihre Auswirkungen messen. Durch diese Erkenntnisse bekommen wir den Blick aufs Ganze und setzen so die Grundlagen für neue politische Strategien. Auf doughnuteconomics.org können sich interessierte Menschen diesem wachsenden Netzwerk anschließen.

Laura Storm

Expertin für Nachhaltigkeit und regenerative Führung - Gründerin von Regenerators

„Der Blick auf das große Ganze: Eine Welt der Erneuerung“

Massives Artensterben, Abholzung der Wälder, Plastikverseuchte Ozeane. Wir überschreiten gerade massiv unsere planetaren Grenzen, seit den 50er Jahren leben wir in einer rasanten Beschleunigung. Sei es in der technologischen Entwicklung aber auch in der Nutzung der Ressourcen. Das bringt eine zunehmende psychische Belastung der Menschen mit sich. Kurzum: Alle Systeme sind stressbelastest. Was wir dagegen tun können? In dem wir unsere Denkweise ändern. Erst wenn wir um die Ecke denken, anders als gewohnt, können wir neue Lösungen finden. Vor 2.000 Jahren löste das solare Zeitalter das bis dahin herrschende lunare Zeitalter ab.

Während die Menschen vorher eng mit ihrer Umwelt zusammenlebten, Gott in allem sahen, distanzierten wir uns danach immer mehr. Mensch und Natur waren sich nicht mehr nahe. Man wechselte zu einer extraktiven Sichtweise, die wiederum die Wissenschaften hervorbrachte und die industrielle Revolution. Mit dem Fortschritt wurden auch die Organisationen hierarchisch. An der Spitze stehen Einzelne, welche für viele entscheiden. Die letzten Jahre zeigen, dass die Resignation, die „innere Kündigung“, immer mehr zunimmt, weil sich die Menschen nicht mehr mit den Werten ihres Arbeitgebers identifizieren können. Wir müssen aus unserer Evolution lernen und dies auch auf unser Business übertragen. Für Storm setzt sich die DNA einer regenerativen Führung aus Design, Kultur und Wesen zusammen. Mit Design meint die Nachhaltigkeitsexpertin etwa bioinspirierte Innovationen; die Kultur sollte jene eines respektvollen Arbeitsumfeldes sein, das die Vernetzung fördert anstelle des Wettbewerbsdenkens, und das Wesen regenerativer Führung sieht Storm in der Schärfung der eigenen Wahrnehmung. Schließlich kann jeder von uns ein Leader sein, indem wir uns bewusst machen, was wir wirklich tun wollen. Denn die Qualität des inneren Ökosystems beeinflusst auch das äußere Ökosystem. Wir sollen einen neuen Lebensstil finden und uns als zyklische Lebewesen wieder-entdecken.

Clover Hogan

Die Gründerin der gemeinnützigen Jugendorganisation Force of Nature will mit ihrer Organisation Denkweisen und Mentalitäten mobilisieren und zeigt, wie jeder junge Mensch etwas verändern kann.

„Öko-Angst – Wie man angesichts der Klimakrise aktiv werden kann, anstatt sich zurückzuziehen“

Phänomene wie das Greenwashing, Wokewashing und Usewashing desillusionieren junge Menschen. Gleichzeitig suchen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren ihre Arbeitgeber vermehrt nach ethischen Prinzipien aus; sie fühlen sich wohler, wenn sie für Betriebe arbeiten dürfen, die nachhaltig agieren. Doch was hindert sie daran konkret aktiv zu werden? Laut Hogan sind es diese drei Faktoren: Erstens die menschliche Psyche, die tendenziell dazu neigt, je langsamer auf Bedrohungen zu reagieren, je schleichender diese vor sich gehen. Zweitens werden sie vom kulturellen Narrativ beeinflusst, das von der privilegierten Gesellschaft gesteuert wird; es macht sie konsumorientierter und zum Teil selbstbezogener. Drittens sind es die sogenannten selbstbeschränkenden Stories, die Menschen in dem Glauben lässt, allein nichts ausrichten zu können.

Die besten Momente vom zweiten Tag

„Jeder von uns kann ein Leader sein und mit seinem Handeln das Außen verändern.“

Katja Diehl

Buchautorin, Kommunikations- und Unternehmensberaterin aus Hamburg. Sie beschäftigt sich mit den Schwerpunkten Mobilität und Logistik, Arbeit und Vielfalt.

„Warum Mobilität der Schlüssel für eine nachhaltige zukünftige Gesellschaft ist und was sich die Jugend erwartet“

Seit über zehn Jahren diskutieren Politiker über die Zukunft der Mobilität, bisher aber ohne relevante Ergebnisse — im Gegenteil: Die Autos werden von Jahr zu Jahr größer. Und während Branchen wie Landwirtschaft, Haushalt, Industrie und Energiewesen ihre Emissionen reduzieren, nimmt sie im Verkehrswesen weiter zu. Obwohl Autos die Luft verschmutzen und Verursacher von Lärm und Mikroplastik sind, werden weiterhin Autos gebaut. Aber auch E-Autos sind nicht die Lösung: Ihr räumlicher Fußabdruck ist gleich groß wie bei herkömmlichen Autos.

Das Leben in einer Stadt ist mit Auto ein stressreicheres, belastet durch Lärm, Hitze, schlechter Luft und Platznot. Politiker in Paris, Barcelona oder beispielsweise Kopenhagen reagieren darauf, indem sie autofreie Räume schaffen; anstelle von Parkplätzen entstehen Orte der Begegnung, die Kinder fahren wieder gefahrlos mit dem Rad zur Schule. Auch wenn in erster Linie Autobesitzer mit Unverständnis auf diese Form der Veränderung reagieren, so rät Diehl: „Wir müssen riskieren unbeliebt zu sein, wenn wir die Welt verändern wollen.“
Wie schaffen wir die Transformation? Aktuell sind nur 8 % der Führungskräfte in der Autobranche weiblich. Diehl fordert mehr Diversität, da diese den entscheidenden Unterschied ausmacht und vielseitige Bedürfnisse berücksichtigt. Hierarchische und starre Strukturen in der Politik verhindern neue Lösungen. Auch sollen Entscheidungsträger von Anfang an für alle mitdenken. Damit bezieht sich Diehl auf die Barrierefreiheit, welche in deutschen Taxis oder Zügen nicht mitgedacht wird. In ihrem Buch „Autokorrektur“ bringt sie auf den Punkt, was Menschen am meisten motivieren würde, auf das Auto zu verzichten: alternative klimafreundliche Transportmittel, Barrierefreiheit, Sicherheit (etwa in Bahnhöfen oder Nachtbussen) und Bezahlbarkeit.

Giovanni Mori

Aktivist, Koordinator von Fridays for Future Brescia und ehemaliger Sprecher von Fridays for Future Italien. Er schloss sich der NGO 'Save the Planet' an, um sich mit Menschen, Unternehmen und der Politik zu messen, zusammenzuarbeiten und zu kommunizieren, um die Effizienz und die Klimalösungen bei großen Projekten zu verbessern.

„Junge Menschen in die Gestaltung unserer Zukunft einbeziehen. Fridays for Future als Vorbild“

Warum gehen wir nicht gegen die Klimakrise vor? Mori zufolge mangelt es an politischem Willen. Der drastische Klimawandel, den wir erleben, ist etwas, womit die Menschheit noch nie konfrontiert wurde. Es ist eine Situation, mit der die Jugend von heute sich morgen auseinandersetzen muss, und ihr Leben wird sich von dem ihrer Eltern stark unterscheiden.

Wir kennen bereits die Lösungen, die angewandt werden können. Einige Beispiele? Förderung erneuerbarer Energien, Änderung der Lebensmittelproduktion und des Verbrauchs, weltweite Förderung der Bildung. Aber warum handeln wir nicht schnell genug, um die aktuelle Krise zu bewältigen? Die Risiken sind uns seit Jahrzehnten bekannt.
Für die Krise werden wir als Verbraucher verantwortlich gemacht. Ein Beispiel dafür war die Einführung des Indikators für den CO2-Fußabdruck, der auf uns Einzelne und nicht auf die Großindustrie bezogen ist. Wir sind aufgefordert, über unsere kleinen Taten nachzudenken. Natürlich können wir alle mit unseren persönlichen Entscheidungen unseren Beitrag leisten. Dennoch: Es gibt Maßnahmen von einer anderen Größenordnung, die viel wichtiger wären, aber auch viel unbequemer sind.
Welchen Einfluss können wir nehmen, indem wir unsere politischen Vertreter wählen? Wie können wir den CO2-Ausstoß verringern, wenn wir auf der Straße für Klimagerechtigkeit protestieren? Wie wichtig ist es, informiert zu bleiben? Mori bestätigt: All das ist nützlich und notwendig. Wenn Millionen von Menschen auf die Straße gehen, müssen die Nationen neue Zugeständnisse machen. Deshalb sind junge Menschen und ihr Engagement entscheidend für eine nachhaltigere Welt.

Daze Aghaji

Jugend-Aktivistin für Klimagerechtigkeit aus London, deren Arbeit sich auf regenerative Kulturen, Intersektionalität, radikale soziale Gerechtigkeit und politisches Engagement von Jugendlichen konzentriert.

„Generation Z: Resilienz im Angesicht vernetzter Krisen“

Resilienz ist der Begriff, der für die Generation Z steht, eine Generation, die erst noch herausfinden muss, wie sie stärker werden kann. Eine Generation, die mit neuen Kommunikationskanälen, globalen Krisen und Widerstand konfrontiert ist. Daze Aghajis Mission als Aktivistin begann, als sie beschloss, sich zu engagieren. Eines Nachmittags nahm sie an einem Treffen teil, das ihr Leben veränderte. Heute lässt sie sich in ihrem Handeln von der Frage leiten: "Was kann ich tun, um den Schutz unseres Landes zu verbessern?".

Sie ist davon überzeugt, dass man sich der Wahrheit stellen muss — und sie hat das Glück, dies gemeinsam mit anderen zu tun. Heute möchte sie ein Vorbild für junge Menschen sein und sie auffordern, zu erkennen, wie ungerecht die Welt ist, in der wir leben. Es gilt für uns zu verstehen, dass der Sinn unseres Lebens darin besteht, die Bedingungen für künftige Generationen zu verbessern.
Der Weg der jungen Menschen muss von Bewusstsein und Aktion geprägt sein. Protest ist das beste Mittel, um allen eine Stimme zu geben. Erwachsene müssen der jungen Generation Orte des Austauschs und der Gemeinschaft ermöglichen.
Zum Abschluss fragt Daze Aghaji die jungen Zuhörer im Publikum“ Was benötigt ihr, um zu handeln?" Die Antwort folgt auf der Stelle: "Unterstützung, Motivation, Zeit, Gemeinschaft!"

Alex Putzer

UN-Experte aus Südtirol für Harmonie mit der Natur und Forscher zu den "Rechten der Natur"

„Die Rechte der Natur im ländlichen Europa und Überlegungen zu einer wachsenden Bewegung“

Für den Südtiroler Alex Putzer ist das Recht der Natur der neue Weg, die Umwelt zu schützen. Es ist ein Menschenrecht, eine gesunde und lebenswerte Umwelt zu haben. Dafür gilt es einzustehen. Die Natur muss als etwas gesehen und wahrgenommen werden, die einen Wert hat, auch wenn sie keinen Nutzen erbringt oder Energie erzeugt.

Die Natur hat ein Recht darauf, in ihrer Gesamtheit und Besonderheit zu existieren. Nicht nur der Mensch hat ein Recht auf diese ethischen Überlegungen, sondern auch die Natur-Elemente, die Ökosysteme und die Tiere.
Die Rechte der Natur stellen nicht den Menschen in den Fokus und sind besonders in ländlichen Regionen präsent. Weltweit gibt es mehr als 40 solcher Initiativen. Putzer nennt einige davon: In Ecuador wird die Natur seit 2008 als Element mit eigener Rechtspersönlichkeit betrachtet. Im Jahr 2017 erkannten die Maori in Neuseeland ihren wichtigsten Fluss als Subjekt mit Rechtspersönlichkeit an. Das Mar Menor in Spanien ist das erste Ökosystem mit einer Rechtspersönlichkeit.
Die bekanntesten Initiativen im Zusammenhang mit den Rechten der Natur kommen aus Südamerika und Neuseeland, aber auch Europa hat begonnen, sich mit diesem Konzept zu befassen. Italien verfügt in dieser Hinsicht über ein großes Potenzial, und Umfragen zufolge scheint die Bevölkerung dazu geneigt zu sein, die Rechte der Natur anzuerkennen. Wie aber können wir die Rechte der Natur in Südtirol und anderen ländlichen Gebieten fördern? Dazu müssen wir zunächst verstehen, was Naturrechte sind und welche Arten von Natur sie beinhalten, ob es sich um einzelne Tiere, Orte oder ganze Ökosysteme handelt. Schließlich müssen wir sensibilisieren und vorhandene Strukturen optimal nutzen.

David Wallace-Wells

„Überleben in der Welt: wie man das Beste aus einem überlasteten Planeten macht.“

Der amerikanische Journalist und Autor des New York Magazine Bestsellers „Die unbewohnbare Erde“ ist für seine Texte zum Klimawandel bekannt. In seinem Live-Auftritt bei den Sustainability Days in der Messe Bozen gibt er zu verstehen, dass die Erderwärmung rasant zunimmt. In den letzten 25 Jahren haben wir unsere Erde um ein Vielfaches geschädigt. Trotz allen Fortschritts und technologischer Innovationen haben wir noch nicht die nötigen Maßnahmen gesetzt, um auch im Entferntesten die Pariser Klimaziele zu erreichen. Wallace sieht eine Einhaltung der 1,5 Grad Grenze als nicht realisierbar. Dieser Sommer hat uns deutlich vor Augen geführt, wie sich die Erderwärmung auf das Klima auswirkt. Extreme Hitzewellen in China und Amerika, Überschwemmungen in Pakistan führten zu zahlreichen Evakuierungen und menschliches Leid.

Prognosen sprechen von 200 Mio. Klimaflüchtlingen in den kommenden Jahren. Für Wallace steht fest: „Im Zuge des Klimawandels sollten wir nicht nur von Dekarbonisierung sprechen. Es geht darum, nicht nur Dinge zu unterlassen, sondern gewisse Dinge zu tun, indem wir etwa neue Formen der Landwirtschaft finden, mit unseren Wasserressourcen anders umgehen, bei der Städteplanung umdenken. Dekarbonisierung und Anpassung sind die Maßnahmen, mit denen wir den Auswirkungen des Klimawandels entgegentreten können.“

Chiara Cecchini

„Die Zukunft der Lebensmittelproduktion und der Ernährung als entscheidende Faktoren für die Zukunft des Planeten“

Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre ist heute höher als in den letzten 3 Millionen Jahren. Dieses Bild der Umwelt bedarf keiner weiteren Erklärung, so die erste Botschaft von Chiara Cecchini in ihrer Rede. Die Situation wird sich nicht verbessern, und neben vielen anderen Initiativen müssen die landwirtschaftlichen Praktiken geändert werden, um zu einem regenerativen Ansatz anstelle eines intensiven Ansatzes zurückzukehren, damit die biologische Vielfalt wirklich erhalten bleibt. Chiara Cecchini fügt hinzu, dass sich folglich auch der Umgang mit Lebensmitteln ändern kann und muss, um vor allem die Verschwendung zu reduzieren, so wie es auch möglich ist, sich neuen Gewohnheiten zu öffnen, wie z. B. dem Verzehr von Lebensmitteln aus Abfällen, der Bevorzugung von pflanzlichen Lebensmitteln anstelle von tierischen Lebensmitteln und schließlich der Unterstützung von Forschungen wie der Umwandlung von CO² in Fette, Proteine und Zucker. Es gibt kein einheitliches Konzept für die Lebensmittel- und Agrarproduktion, so wie es auch keine einheitliche Lösung für die vielen damit verbundenen Probleme gibt. Es gilt, über die bereits vorhandenen Lösungen nachzudenken und alle an der Lösung mitwirken zu lassen.

Die besten Momente vom dritten Tag

„Wer die Welt verändern will, muss risikieren, unbeliebt zu sein. “

Dr. Sabina Jeschke

Wissenschaftlerin, Vorstandsvorsitzende des KI-Parks in Berlin und ehemalige Vorständin der Deutschen Bahn für Digitalisierung und Technologie.

„Perfekte Allianz: Innovative Technologien, Automatisierung und KI als Chance für Wohlstand in nachhaltigen ländlichen Regionen“

Fünf große Entwicklungen beschäftigen unsere Welt. Die vierte industrielle Revolution, die Covid-Pandemie, der demografische Wandel, die Klimakrise und das Ende des Friedens in Europa. Aus dem Wechselspiel dieser Trends entstehen neue Wege im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). So zieht der demografische Wandel in Europa bereits jetzt einen großen Rückgang an Fachkräften mit sich. Eine Automatisierung kann, etwa in Transport oder Mobilität, eine Alternative sein und auch dem Umweltschutz dienen. So ließe sich durch selbstfahrende Lastwägen auch Treibstoff reduzieren.
Die vierte industrielle Revolution setzt bereits KI ein. Dabei ist diese nicht nur in der Produktion relevant, sie kann auch in Bereichen eingesetzt werden, die intellektuelle Tätigkeiten verlangen. Während sich die zweite industrielle Revolution vor allem auf Ballungsräume konzentrierte, führt die vierte industrielle Revolution eine Trendumkehr herbei: So bevorzugen Start-ups vermehrt ländliche Gebiete, da sie hier gute Rahmenbedingungen vorfinden.
Die Covid-Pandemie hat unter Beweis gestellt, dass Remote Working dank der Digitalisierung sehr gut funktioniert. Während Zoom-Meetings vorher noch die Ausnahme waren, sind sie jetzt ein Massenphänomen. Unterschiedliche Instrumente der Kommunikation haben sich optimiert und verbreitet. So nutzen Ärzte diese Technik genauso wie Fahrzeuglenker. Im Sinne der Nachhaltigkeit reduziert Remote Working auch die Mobilität: Spitzenzeiten durch Pendlerströme können dadurch ausgeglichen werden.
Was kann KI in Zukunft? Das Quantum-Computing (QC) wird immer greifbarer. Durch diese Superrechner werden bis dato unrealistische Ziele immer realistischer. Simulationen und Analysen können schneller erstellt und berechnet werden. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit: So kann QC simulieren, inwieweit Solarzellen im All als Kraftwerke für die Erde nutzbar werden oder wie die klimaschädlichen Kondensstreifen im Flugverkehr reduziert werden könnten.
Wann können wir mit KI rechnen? Die baltischen Staaten und Skandinavien sind in diesem Gebiet schon sehr weit fortgeschritten. „Das es bei uns so lange dauert ist kein technisches Problem, sondern ein politisches“, gibt Jeschke am Ende ihres Vortrags zu verstehen.

Abschließende Empfehlungen des Beirats der Sustainability Days 2022

Von den Referenten Marco Frey, Raffaella Rumiati, Elena Comelli, Georg Hauger

Der ökologische Übergang muss eine Priorität für die politischen Entscheidungsträger sein. Eine Verzögerung der Maßnahmen würde wirtschaftliche, soziale und ökologische Kosten verursachen und die physischen Risiken für alle Beteiligten erhöhen. Die Herausforderung der Nachhaltigkeit muss jetzt angegangen werden, und zwar durch positive und visionäre politische Maßnahmen, die in konkrete Aktionen umgesetzt werden.
Die Experten, die an den Sustainability Days teilgenommen haben, haben ein zusammenfassendes Dokument verfasst. Das sind die konkreten Vorschläge, die sie an die Politiker für die 4 Interessenbereiche der ersten Ausgabe der Veranstaltung gerichtet sind:

Landwirtschaft und Ernährung: In der Produktion und beim Verbrauch von Lebensmitteln muss der Schutz der Ökosysteme berücksichtigt werden.
Die Empfehlungen: Sensibilisierung der biologischen Vielfalt und Verbesserung der Wirksamkeit politischer Maßnahmen, Maßnahmen zur Regenerierung von Ökosystemen, Unterstützung der Forschung im Bereich der Lebensmittelproduktion, Förderung nachhaltiger Ernährungsarten

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz: Dieser Sektor ist noch viel zu sehr von fossilen Brennstoffen abhängig, welche die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft gefährden. Wir verfügen bereits über die Technologien, die zur Bewältigung der Energiewende erforderlich sind, aber der Prozess ist auf gesellschaftlicher Ebene komplex.
Die Empfehlungen: Energienachfrage senken, klimafreundliche Energiesysteme einrichten, mehr Raum für erneuerbare Energien schaffen, Energiespeicherung und Energienetze verbessern, Synergien zwischen bestehenden Projekten schaffen, begonnene Projekte abschließen und die Beteiligung von Frauen und jungen Menschen fördern.

Nachhaltige Mobilität und Tourismus: Es existieren viele Projekte, aber sind wir sicher, dass diese auch wirklich funktionieren? Sie sind je nach Raum und Zeit unterschiedlich anwendbar, und was z.B. in den urbanen Umgebungen von Großstädten gut funktioniert, funktioniert in ländlichen Gebieten überhaupt nicht.
Die Empfehlungen: Überarbeiten des Regelwerks, das den Wandel verhindert oder verlangsamt, Synergien schaffen zur gegenseitigen Befruchtung von Dienstleistungen, Nachfrage bündeln und Politiker mit einbinden, die in ihren ländlichen Regionen eine Führungsrolle innehaben.

Resiliente regionale Lebensräume: Resilienz als kontinuierlicher Prozess kann ein wichtiger Motor für die Entwicklung ländlicher Regionen sein.
Die Empfehlungen: Identifizierung und Erhalt, der für jedes Gebiet spezifischen natürlichen Ressourcen, das lokale Einkommen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen verbessern, das wirtschaftliche Potenzial wiederbeleben, die Identität und das Selbstvertrauen stärken sowie die Gemeinschaftssysteme und sozialen Netze fördern.  

Die besten Momente vom vierten Tag

Highlights Tag 4